Weder Sympathie noch die leckersten Canapés dürfen dazu führen, jeden Kundenwunsch umsetzen zu wollen

verfasst von Andreas

25. August 2024

Holger Oberborbeck hatte nur ein Ziel für das Meeting mit Lotta Schloitz, der Produktmanagerin der Drunken Monkeys. Er wollte den Deal mit der Gourmetgastronomie „Der goldene Pelikan“ für „Lord Order“, das Kassensystem der Drunken Monkeys, zum Abschluss bringen. Auch wenn er bei Maxim gegen Wände gelaufen war, so hatte er einen gewieften Plan für das Meeting. Er bereitete sich genauso vor, wie für eine knochenharte Verhandlung mit einem potenziellen Kunden. Für Holger war die richtige Vorbereitung der Schlüssel zum Erfolg. Mit der Vorbereitung wäre der Fisch schon an der Angel. Im finalen Gespräch gehe es dann nur noch darum den Fisch mit voller Kraft und Überzeugung an Land zu ziehen. Und für Holger bestand die ideale Vorbereitung darin seinen Gegenüber schon vorher perfekt zu kennen. Holger war den sozialen Netzwerken besonders dankbar dafür, dass es sie es ihm ermöglichten, mit nur wenigen Klicks schon ein genaues Bild von einer Person zu bekommen. So erfuhr Holger über LinkedIn, dass Lotta Zertifikate sammelte wie andere Briefmarken, die ihre breite Fachkompetenz scheinbar unterstrichen. Neben der kompletten Klaviatur des Produktmanagements konnte sie auch noch programmieren und mit Excel und Python Daten wie eine ganz Große analysieren. Instagram verriet Holger, dass Lotta nicht nur leidenschaftlich gern Fortnite spielte, sondern auch der mediterranen Küche nicht abgeneigt war. Das waren doch genau die Informationen, die Holger helfen sollten, über lockeren Smalltalk Lottas Sympathie zu gewinnen.

Der Termin war für 14 Uhr angesetzt. Eine Stunde Zeit für Holger, um sowohl Lottas Sympathie zu gewinnen als auch von seinen Ideen zu überzeugen. Auch wenn die Mittagspause noch nicht lang her war, brachte Holger ein wenig Bruschetta mit ins Meeting. Um Lottas Geschmack auch zu treffen, hatte es Holger da nicht nur bei der schnöden Variante mit Tomate und Mozzarella belassen. Nein, Holger hatte einen italienischen Feinkostladen zur Hälfte geplündert. Nur um direkt zahlreiche verschiedene Varianten anbieten zu können. Echte Perigord-Trüffel wurden kombiniert mit Auberginen und Kapern, erlesene Trauben wurden auf ein Bett aus Parmesan-Bärlauch-Pesto gelegt und von karamellisierten Zwiebeln umschmeichelt. Aber auch verrückte Kombinationen wie gesalzene Pfirsiche mit Walnüssen und Rucola sollten testen, ob Lotta auch beim Essen direkt für neue Ideen empfänglich war. Und diese wilden Kreationen sollten wirklich Eindruck hinterlassen.

Schon einige Minuten vor Meeting platzierte Holger diese Prunktstücke der italienischen Küche auf dem Tisch ihres Meetingraums. Holger wollte von der ersten Sekunde an Lottas Augen zum Funkeln bringen. Als Lotta pünktlich um 14 Uhr zum Meeting erschien, funkelten ihren Augen jedoch nicht. Sie nahm zwar direkt Notiz von diesen kulinarischen Herrlichkeiten aber kommentierte dies nur mit: „Was soll denn das schon wieder?! Ist hier heute noch ein Kundentermin? Muss ja sein. Da wird wieder groß aufgetafelt. Für unsere Kunden werden die Kronjuwelen aus dem Feinkostladen herangekarrt und wir dürfen uns wieder mit irgendwelchen trockenen Oma-Keksen zufriedengeben. Eine schöne Zwei-Klassen-Gesellschaft ist das.“

Holger konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

„Nein Lotta, die sind von mir. Für uns. Ich dachte, dass so ein paar kleine Gaumenfreuden der Auftakt für ein richtig gutes Meeting darstellen können.“

Lotta riss ihre Augen vor Verwunderung meterweit auf. „Wow, Holger. An sowas hat hier noch nie jemand gedacht. Das wäre wirklich nicht nötig gewesen. Aber Maxim hat wirklich nicht untertrieben, dass du die richtige Wahl bist, um Kunden im Gourmet-Segment von unserer Lösung zu überzeugen. Danke!“

Lotta griff direkt zu einer Bruschetta mit Tomate und Mozzarella, was Holgers Puls direkt in die Höhe schießen ließ. Er dachte nur: „Das ist doch jetzt nicht ihr verdammter Ernst! Sie hat die Wahl zwischen Trüffel, Limonen-Paprika-Pesto und greift dann zu Tomate-Mozzarella?! Was stimmt denn nicht mit ihr?“

Aber er ließ sich von diesem negativen Gedanken nicht übertölpeln.

„Gern geschehen. Das war für mich kein Aufwand. Ich liebe die mediterrane Küche und son bisschen Bruschetta ist ja schnell gemacht. Es freut mich, wenn sie dir schmecken. Du kannst auch gerne welche mit nach Hause nehmen. Beim Fortnitespielen kommt dir ein schneller Snack bestimmt doch mal gelegen.“

„Woher weißt du, dass ich Fortnite spiele?!“

Berthold wollte sich beim letzten Satz noch auf die Lippe beißen aber es war zu spät. Und Lotta war es direkt aufgefallen, dass diese Äußerung extrem seltsam rüberkommen musste.

Berthold wollte souverän reagieren, geriet aber in ein hilfloses Stammeln:

„Ja, ähm, das hast du doch in deinem Steckbrief stehen in unserem Wiki!“

„Es gibt keinen Steckbrief über mich in unserem Wiki.“

„Oh, ok. Ja, dann muss Maxim sowas mal erwähnt haben.“

Aber Lotta roch den Braten, grinste amüsiert und sagte: „Holger? Kann es sein, dass du dich vor unserem Meeting über mich informiert hast?“

Die Schamesröte schoss in Holgers Gesicht. Kleinlaut sagte er:

„Ja, tut mir leid. Das ist eine Berufskrankheit. Ich weiß einfach vorher gerne, mit wem ich es zu tun habe.“

„Ok, das ist jetzt schon ein bisschen seltsam. Und auch ein wenig cringe. Ich bin doch kein Kunde, den du von irgendwas überzeugen musst.“

Holger führte weiter aus, dass er dies nur getan hätte, weil er unbedingt von seiner Feature-Idee überzeugen wollte. Und dass ihr CEO Maxim ihn so harsch in die Schranken gewiesen hätte, dass er sich praktisch gezwungen sah, Lottas Gunst zu gewinnen, um das ersehnte Weinempfehlungs-Feature für seinen Kunden „Der goldene Pelikan“ zu gewinnen.

Holger erzählte Lotta von dem dringenden Kundenwunsch und der vermeintlichen Brisanz, dass der goldene Pelikan ihr Buchungssystem „Lord Order“ nur erwerben würde, wenn es dieses Feature beinhaltet. Er unterstrich nochmal welche Strahlkraft dieser Kunde für das komplette Segment der Gourmetgastronomen wären. „Wir holen uns den goldenen Pelikan und dann kommen die anderen von ganz allein.“

Auch wenn dieses Argument durchaus Eindruck hätte machen können, musste Holger feststellen, dass er damit auch bei Lotta auf Granit biss.

„Holger, ich kann dir nicht einfach zusagen, dass wir das bauen werden. Wir können nicht alles über den Haufen werfen, nur weil ein Kunde irgendeinen Spezialwunsch hat.“

Holger seufzte tief. Er fragte sich, ob das wirklich eine kluge Idee war seinen alten Job an für die Drunken Monkey GmbH an den Nagel zu hängen. Was war das überhaupt für ein Name? Berthold hatte diesen Namen erst als weiteres Zeichen gesehen, dass hier Dinge nicht unkonventionell, sondern mutig angegangen werden. Aber sollte der Name doch eher ein Zeichen dafür sein, dass er an eine Bande von Idioten geraten ist?

Lotta sah Berthold seine Niedergeschlagenheit an. Sie wollte unbedingt verhindern, dass er niedergeschlagen die Segel streicht. Es galt für sie unbedingt zu vermeiden, dass Berthold die Firma verlässt und sie nie wieder in den Genuss dieser exzellenten Bruschetta kommen würde.

Daher musste sie Holger jetzt unbedingt näherbringen, wie die Drunken Monkeys ihre Produktentwicklung angehen.

„Holger, ich sehe dir deine Enttäuschung an. Aber ich habe nicht gesagt, dass wir niemals dein Feature bauen werden. Gibst du mir die Chance, dir unseren Ansatz der Produktentwicklung zu erklären? Und hast du dann Lust zusammen zu überlegen, wie wir den goldenen Pelikan von unserem Weg überzeugen können?“

Auch wenn sich Holger ein schnelles „Ja, natürlich bauen wir das Feature. Welch geniale Idee!“ gewünscht hätte, ließ er sich auf Lottas Angebot und lauschte gebannt ihrer Präsentation.

 

Im nächsten Kapitel geht es ans Eingemachte. Lotta stellt ihren Persona-Ansatz vor. Möchtest du auch verstehen, wie du mit Persona-Ansatz ein genaueres Bild deiner User zeichnest und die Grundlage für deine Anforderungen schärfst? Dann klick hier.

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